Liebe Eva,
ich bin begeistert über diesen Beitrag. Immerhin habe ich meine Diplom- und meine Lizentiatenarbeit zu dem Thema verfasst....und wenn ich die Kinder groß hab, mach ich ne Promotion darüber

. Pastoral gesehen haben Sie sicher Recht. Aber Pastoral ist nicht alles...
Persönlich vertrete ich die Theorie, dass die Kirche, wenn sie denn einen so hohen Anspruch an die Eheleute hat (bis dass der Tod eines Gatten sie scheidet!), diese auch in und nach der Ehe begleiten muss. Faktisch tut sie es auch, gibt es doch in jedem Bistum von der Caritas oder sonstwem Familien- und Eheberatungen.
Aber so sehr auf die rechtliche Seite Wert gelegt wird, so unrelevant ist für die GÜLTIGKEIT einer Ehe die pastorale Seite. Es fragt ja bei der Taufe auch keiner, was aus diesem Menschlein katholisch gesehen wird.... Wir Juristen unterscheiden bei jedem Sakrament 3 Dinge:
1. Ist es gültig? -> nur dann existiert es
2. Ist es erlaubt? -> wenn es nicht erlaubt ist, darf es nicht zustande kommen, kommt es aber trotz Verbot zustande, ist es gültig

Klingt gut, oder? Beispiel: Ein Katholik darf einen Evangelen nur mit Erlaubnis des Bischofs heiraten. Das Verbot richtet sich primär an den assistierenden Pfarrer. Traut der trotzdem, ist die Ehe zwar unerlaubt, aber gültig. Sie existiert vor dem Kirchenrecht als Sakrament. Natürlich kann man die Gültigkeit immer noch auf den Formmangel seitens des Katholiken überprüfen, aber erst mal ist sie gültig.
3. Wird ein Sakrament fruchtbar empfangen. -> nun ja, was würdet ihr als "fruchtbar" bezeichnen??? Wer von den sonntäglichen Katholiken empfängt die Kommunion regelmäßig fruchtbar???! Das kann man ganz einfach nicht messen.... Außer Gott, aber der petzt uns Kanonisten nicht!
So, das vorweg. Zurück zur Rechtlichkeit:
Die Kirche will natürlich immer schon, dass möglichst alle Menschen gültig verheiratet sind. Vor ihrem Recht gültig verheiratet sind. Darum das Ding mit den Getauften. Auch sollte man wissen, dass bis zu "Matrimonia Mixta" die konfessionsverschiedenen Ehen rechtlich benachteiligt waren!! Und bis zum Codex von 1983 galt jeder nichtkatholisch Getaufte als abgefallener Katholik, schismatischer Katholik oder ungläubiger Katholik.
Gottseidank hat man das im neuen Codex als Folge des Konzils geändert und den anderen christlichen Kirchen ihren "eigenen" Glauben anerkannt, anstatt alle Getauften als potentielle Katholiken anzusehen
Nun ist aber immer noch diese Regel gültig, dass die katholische Kirche versucht, auch nichtkatholisch geschlossene Ehen erstmal als gültig geschlossene anzuerkennen. Das hat den Vorteil, dass sie sich nicht darum bemühen muss, Ungläubige kirchlich zu verheiraten und ihnen trotzdem das natürliche Recht auf die Ehe zu geben.
Es ist nämlich festgelegt, dass jeder Mensch die Ehe schließen kann. Das wird aus dem Naturrecht als sog. göttliches Recht abgeleitet: Can. 1058 - "Omnes possunt matrimonium contrahere, qui iure non prohibentur."- alle können eine Ehe schließen, die vom Recht nicht daran gehindert werden.
Um nicht bei etwaigen Unklarheiten Unsicherheit entstehen zu lassen ergänzt man das durch die Rechtsvermutung: Can. 1060 - "Matrimonium gaudet favore iuris; quare in dubio standum est pro valore matrimonii, donec contrarium probetur." Eine Ehe erfreut sich der Rechtsvermutung, dass im Zweifel für die Gültigkeit steht, bis das Gegenteil BEWIESEN ist.
Und ein solcher Beweis kann eben nur auf Antrag eines der Ehepartner oder in Fällen des öffentlichen Ärgernisses ein Kirchenanwalt über das Instrument der Ehe-feststellungs-Klage erwirkt werden.
Auch in diesem Zusammenhang zu sehen und das trifft Ihre Frage, warum man das den Leuten nicht "sagt" vorher: Das, was Eheleute über die Ehe an sich wissen müssen, ist sehr niedrig angesetzt aus den schon ausgeführten Gründen. Ich will das nicht einzeln zitieren, aber es heißt im Gesetz, dass die Eheleute lediglich wissen müssen, dass die Ehe durch ein irgendwie geartetes Zusammenleben zwischen Mann und Frau zustande kommt.
Das Gesetz sagt auch explizit, dass UNWISSEN um Sakramentalität oder Unauflöslichkeit die Ehe nicht automatisch auflösen. Dies geschieht nur, wenn eine echte Ablehnung vorliegt und diese auch irgendwie geäußert wird!
Ich verstehe Sie sehr gut, aber man muss eben immer zwischen moralisch und gesetzlich trennen.
Erinnern Sie sich an das Beispiel des "Fringsens?" In der Nachkriegszeit haben die Menschen im Winter Kohlen geklaut, damit sie nicht erfroren sind, worauf Kardinal Frings in Köln sagte, das sei moralisch in Ordnung. Man sprach darauf vom Fringsen bei Diebstahl in höchster Notlage.
Rechtlich bleibt das doch verboten. Und ein wenig ist das so in dem von ihnen geschilderten Fall...
Freu mich auf weitere Diskussion!
Anne.
PS: Und seid froher Hoffnung, die Meister in Münster sagten immer "Ius sequitur esse" - das Recht folgt der Realität (mal frei übersetzt)
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht. (Vaclav Havel)